Zwenkauer Wachstum-aber bis wohin?

Zwenkauer Wachstum-aber bis wohin?

Die Diskussionen in der Zwenkauer Bürgerschaft zum Bebauungsplan „Harthweide“ werden sehr kontrovers geführt und sind ein Anlass für die Zwenkauer CDU, den derzeitigen Wachstumsprozess der Stadt intensiver zu beleuchten, um Schlüsse für die derzeitige Politik und die folgende Legislaturperiode abzuleiten.

Ein kurzer Blick zurück zeigt, dass die Einwohnerzahlen von Zwenkau aus bekannten Gründen von etwa 12.000 im Jahr 1950 bis auf 7.350 Einwohner im Jahr 1990 geschrumpft sind. Die Folgen sind jedem Zwenkauer Bürger, der diese Zeit miterlebt hat, bekannt. In den Nachwendejahren hat sich durch die positive Entwicklung der Stadt mit neuen Perspektiven die Einwohnerzahl auf etwa 9.000 stabilisiert. Durch die Fertigstellung des Zwenkauer Sees ist, wie zu erwarten war, die Attraktivität von Zwenkau als Wohnort weiter gestiegen, so dass die Entwicklung der Einwohnerzahlen bei allen Prognosen steil noch oben weist. Zu den Fragen von Einwohnern „Brauchen wir Wachstum in Form von neuen Wohnquartieren und wohin soll das führen“ möchten wir in diesem Artikel unsere Argumente erläutern.

Wachstum vs. Schrumpfung

Mit Schrumpfungsprozessen haben viele Orte und kleinere Städte zu kämpfen. Die Folgen von Schrumpfungsprozessen sind wissenschaftlich gut untersucht. So zeigt Hannemann /1/ die dramatischen Konsequenzen in folgendem Bild:

Aus diesen Gründen ist das Thema Stadtentwicklung ohne Wachstum politisch kaum mehrheitsfähig, Schrumpfung hingegen nicht opportun. Die aktuelle Studie der Bertelsmannstiftung zur Reurbanisierung in der Nähe von Grossstädten /2/ kommt dabei zu folgenden für Zwenkau aufschlussreichen Erkenntnissen:

1. Reurbanisierung der Klein- und Mittelstädte: Die Analysen bestätigen eine großräumige Polarisierung zwischen urbanen Zentren und peripheren Räumen bei gleichzeitiger kleinräumiger Reurbanisierung der Mittelstädte und größeren Kleinstädte in ländlichen Räumen.

2. „Überschwappeffekte“ der Großstädte ins Umland: Die Analysen zeigen, dass die Großstädte, besonders die großen Großstädte, wieder zunehmend Bevölkerung an ihr direktes Umland verlieren, es also gleichzeitig eine großräumige Reurbanisierung und eine kleinräumige Suburbanisierung gibt.

3. Entleerung ländlicher Räume: Die Analysen verweisen auf eine kontinuierliche Entleerung dünn besiedelter ländlicher Räume durch eine lang anhaltende Abwanderung in urbane Räume und den fehlenden Zuzug aus urbanen Räumen. Diese Entleerung liegt aber im Durchschnitt aller dünn besiedelten ländlichen Kreise – verglichen mit den übrigen Trends der Raumentwicklung – auf einem

relativ geringen absoluten Niveau und ist damit ein eher schleichender Prozess.

Zwenkau als Grundzentrum

Zwenkau ist seit 2003 ordnungspolitisch als Grundzentrum eingeordnet. Das wird durch einen grundzentralen Verbund mit der Stadt Böhlen realisiert, da damit die Mindesteinwohnerzahl für den Verdichtungsraum von 15.000 erreicht wird. Die Charakteristik eines zentralen Ortes wird dabei wie folgt definiert /3/: Grundzentren sind in den Regionalplänen zur Ergänzung der Ober- und Mittelzentren festzulegen, wenn die Festlegung zur Netzergänzung der grundzentralen Versorgung in zumutbarer Entfernung erforderlich ist. Hierzu sind in den Regionalplänen auf der Grundlage sozioökonomischer Daten Nahbereiche darzustellen. Die Festlegung von Grundzentren ist nur zulässig, wenn diese Gemeinden hinreichend leistungsfähige Versorgungs- und Siedlungskerne aufweisen, eine Funktion als ÖPNV-Knotenpunkt erfüllen und die nachfolgenden Einwohnerzahlen nicht unterschreiten: mindestens 15000 Einwohner im Verflechtungsbereich innerhalb des Verdichtungsraumes.

In einer Expertise zur Evaluierung der Grundzentren in Sachsen /4/ wird auch ausgeführt: „Die Kommunen, die bisher als Grundzentrum bzw. als grundzentrale Verbünde ausgewiesen waren, müssen demnach im Hinblick auf die Beurteilung ihrer künftigen Leistungsfähigkeit Flächenpotenziale nachweisen, die über die Eigenentwicklung hinausgehen, um entwicklungsbedingte, dem zentralörtlichen Status angepasste Flächenbedarfe abdecken zu können.“

Auch aus diesen Aussagen wird deutlich, dass grundzentrale Orte ein Wachstumspotential aufweisen müssen. Ein Verlust des Status Grundzentrum hat harte Konsequenzen: weniger Stellen, weniger Zuweisungen, Imageverlust.

Wachstum und demographische Entwicklung

Ohne Wachstum würde die Stadt Zwenkau unweigerlich schrumpfen. Das liegt zum Einen in der im Integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) /5/ dargestellten Tatsache begründet, dass die Sterberate seit Jahren höher ist als die Geburtenrate. Zum Anderen verlassen Jugendliche zum Zwecke der Ausbildung oder zum Studium die Stadt.

Wachstum füllt Lücken

Der Sozialreport 2010-2014 der Stadt Zwenkau /6/ hat gezeigt, dass die Bevölkerungsgruppen der 18-25jährigen sowie der 25-45jährigen stark unterrepräsentiert sind. Legt man eine Normalverteilung über alle Altersgruppen zu Grunde, „fehlen“ in der Gruppe 18-25 ca. 500 und in der Gruppe 25-45 etwa 1000 Personen. Betrachtet man die Altersstruktur der Zuzüge nach Zwenkau, handelt es sich fast durchgängig um Familien mit Kindern. Die daraus resultierende Stärkung der Bevölkerungsgruppen 25-45 und 1-18 Jahre verschiebt das Durchschnittsalter der Zwenkauer Bevölkerung deutlich. Auf die konkreten Zahlen im fortgeschriebenen Sozialreport 2015-2019 darf man gespannt sein.

Wachstum erhöht Chancen auf eine Oberschule

Eine der größten Niederlagen bei der Stadtentwicklung von Zwenkau ist ohne Zweifel die Schließung der Mittelschule im Jahre 2006 mit der Begründung von zu niedrigen Schülerzahlen. Die derzeitige Gesetzgebung im Sächsischen Schulgesetz setzt folgende Rahmenbedingungen /7/: pro Klasse 20 Schüler, mindestens zweizügig. Daraus wird ersichtlich, dass die Mindestschülerzahl 40 beträgt. Die derzeitige Entwicklung im Grundschulbereich sowie die Zahl der Bildungsempfehlungen für Mittelschule und Gymnasium lässt sich an folgenden Zahlen der letzten 5 Jahre ablesen /8/. Wie die Zahlen zeigen, konnte die Mindestzahl von 40 Schülern nur einmal erreicht werden.

Bildungsempfehlungen

Anzahl der erteilten Bildungsempfehlungen für Mittelschule (MS) und Gymnasium (GYM)

Schuljahr 2012/2013

Schuljahr 2013/2014

Schuljahr 2014/2015

Schuljahr 2015/2016

Schuljahr 2016/2017

Gesamtschüler 4.Klassen

75

76

68

81

64

MS

GYM

MS

GYM

MS

GYM

MS

GYM

MS

GYM

38

35

41

33

33

33

33

46

28

35

Grenzen des Wachstums

Im integrierten Stadtentwicklungskonzept (INSEK) /5/ wird festgestellt, dass die letzte größere und zusammenhängende Entwicklungsfläche das schmale Dreieck zwischen Kap, Schäferei und Seeufer darstellt (siehe Bild). Folgerichtig hat der Stadtrat der Stadt Zwenkau hat am 30.03.2017 in öffentlicher Sitzung mit Beschluss Nr. 17023 die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr.38 der Stadt Zwenkau „An der Schäferei“ beschlossen. Damit sind auch die Weichen dafür gestellt worden, ein zweites Bildungszentrum neben dem Schulzentrum zu etablieren.

Neben dieser Fläche gibt es Verdichtungen im Innenbereich in Form der rechtskräftigen Bebauungspläne Nr. 29 (Pegauer Strasse), Nr. 30 (Großdeubener Weg), Nr. 31 (Am Bahnhof) sowie Nr. 39 (Pestalozzistr. 21), der sich im Beteiligungsverfahren befindet. Des Weiteren sind in ganz Zwenkau Lückenschlüsse zu beobachten.

Durch diese endlichen Flächen müssen in Zukunft die Ortsteile weiter in den Focus der Gesamtentwicklung rücken. Aus diesem Grunde wird die CDU-Fraktion im Juni einen Antrag eingebracht, das Entwicklungspotential der Ortsteile, analog zum INSEK für die Kernstadt, untersuchen zu lassen. Das kann mit dem Förderinstrument LEADER, welches die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes zum Inhalt hat, realisiert werden.

Probleme des Wachstums

Ohne Zweifel ist städtisches Wachstum auch mit Problemen behaftet. Flächenverbrauch, Erhöhung des Verkehrsaufkommens, Lärmbelästigung durch Bautätigkeit sind dabei die Hauptargumente. Bezüglich des Flächenverbrauches ist im durch den Stadtrat einstimmig beschlossen Seenutzungskonzept festgelegt, dass von den 23 km Uferlinie des Zwenkauer Sees 6 km durch den Menschen genutzt werden und der Rest von 17 km der Natur vorbehalten ist. Nach unserer Meinung ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie. Bezüglich des absehbaren erhöhten Verkehraufkommens wird es darauf ankommen, auf der Basis des Verkehrskonzeptes der Stadt Zwenkau /9/, sinnvolle Kompromisse mit unterschiedlichen Interessengruppen, aber auch der gesamten Einwohnerschaft zu suchen und zu finden. Mit dem Konsenspapier, welches eine Arbeitsgruppe während der Dauer von 3 Workshops erarbeitet hat und darin 12 Handlungsfelder definiert hat, ist ein erster Schritt vollführt.[AW1]

Weiterhin ist abzusehen, dass der prozentuale Zuwachs der Bevölkerung in den nächsten Jahren ein Maximum erreicht. So wird bei den Zahlen der Kinder eine „Welle“ erzeugt, die sich zuerst in einer erhöhten Zahl von KITA-Plätzen äußert, dann aber zeitversetzt einen erhöhten Bedarf an Grundschulplätzen, danach Oberschul- und Gymnasiumsplätzen bis weit hin zur Seniorenbetreuung zur Folge hat. Nach Durchzug der „Welle“ sinkt folgerichtig der Bedarf an den jeweiligen Einrichtungen. Das stellt bezüglich der Planungen eine immense Herausforderung für die Stadt Zwenkau dar.

Fazit

Die Beleuchtung der unterschiedlichen Problemfelder zeigt, dass die Stadt Zwenkau auf städtisches Wachstum angewiesen ist. Die vor der Stadt Zwenkau liegende Aufgabe wird sein, dieses Wachstum nachhaltig, sozialverträglich und umweltgerecht zu gestalten. Daran wird sich die Zwenkauer CDU mit aller Kraft beteiligen.

/1/ Hannemann, Christine (2003): „Schrumpfende Städte“: Überlegungen zur Konjunktur einer vernachlässigten Entwicklungsoption für Städte. Schrumpfen als neues Phänomen?. In: vhw FW 6, Dez. 02 - Jan. 03, 292-296

/2/ Angelika Münter, Frank Osterhage (2018), Trend Reurbanisierung?, Analyse der Binnenwanderungen in Deutschland 2006 bis 2015, © April 2018 Bertelsmannstiftung

/3/ LEP 2013

/4/ Expertise zur Evaluierung und zur Ausweisung von Grundzentren im Zuge der laufenden Gesamtfortschreibung des Regionalplans Westsachsen 2008, Endbericht Oktober 2016, S.43

/5/ Integriertes Stadtentwicklungskonzept (INSEK), Zwenkau 2017, nachlesbar unter www.stadt-zwenkau.de

/6/ Sozialreport der Stadt Zwenkau 2010-2014, nachlesbar unter www.stadt-zwenkau.de

/7/ Sächsisches Schulgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juli 2004 (SächsGVBl. S. 298), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 26. April 2017 (SächsGVBl. S. 242) geändert worden ist.

/8/ Stadtverwaltung Zwenkau

/9/ Verkehrkonzept der Stadt Zwenkau, Schlussbericht, Zwenkau, März 2017, nachlesbar unter www.stadt-zwenkau.de

[AW1]Das sollten wir nach dem 27.8., wenn die Ergebnisse der Umsetzung des Verkehrskonzeptes präsentiert sind, ggf. aktualisieren